Soldaten Hinter Stacheldraht Book

Mit „Der Verräter" schreibt der damals 32-jährige André Gorz ein autobiographisches Essay. Als distanzierte Selbstbetrachtung ist das Essay in der dritten Person geschrieben.

Was erklärt die Psychoanalyse? Jedes Verhalten der Gegenwart kann aus den Entwicklungen unserer Vergangenheit begründet werden. Das Schema funktioniert immer. Jede Bedingtheit war als eine Möglichkeit vorgegeben. Doch der Beweis der Notwendigkeit lässt sich nicht vorhersehen. Lediglich im Nachhinein lässt sich erklären, warum etwas wie gemacht wurde. Im Entscheidungsmoment spielen danach weniger objektive Aspekte(also die aktuelle Lage) eine Rolle, als vielmehr subjektive Vorlieben. Unsere Entscheidung ist durch Umstände der Vergangenheit geprägt. Daraus folgt, man lebt ein Leben, wie es eben vorgeformt ist.

Man kann natürlich das Bemühen darauf richten, mehr zu erreichen. Bleibt jedoch der Erfolg aus, so macht einem das Bemühen nur die eigene Mittelmäßigkeit umso mehr bewusst. Es folgt eine Gleichgültigkeit im eigenen Streben. Mit dem Bewusstsein der eigenen Mittelmäßigkeit sucht man nach einem Halt. Die Religion verspricht ein Jenseits. In der Erniedrigung im Endlichen des Diesseits, kann im Ewigen des Jenseits Erfüllung erlangt werden. Diese Erkenntnis des Mittelmäßigen über die Nichtigkeiten von Sorgen und Ängsten der weltliche Kreaturen vermag aus der eigenen Unterlegenheit eine Überlegenheit begründen. Aber was bietet eine solche Betrachtung? Soll sie nicht - nach dem Marxismus wohl sogar absichtlich - lediglich die Entfremdung verhüllen und erträglich machen. Also was soll man tun? Gegen die Nichtigkeit revoltieren? Oder besser akzeptieren? Aber wie? Man kann die Flucht ergreifen, man kann sich mit dem Schicksal abfinden oder in den Traum flüchten.

Sollte ich das Buch in einigen Jahren wieder lesen, könnte ich mich erneut fragen, ob ich eine eigene Handlungsform gefunden habe, so wie es Gorz im Schreibakt fand. Leider wüsste ich vermutlich nie, ob sie für die Revolte oder meine akzeptierte Nichtigkeit steht.