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Reviews for Hernani

 Hernani magazine reviews

The average rating for Hernani based on 2 reviews is 3 stars.has a rating of 3 stars

Review # 1 was written on 2020-06-04 00:00:00
2010was given a rating of 3 stars Wayne Calvert
Vordergründig ist das Theaterstück von Schnitzler eine Art Grey's Anatomy um die Jahrundertwende aber ohne Sex. Viele männliche Ärzte auf unterschiedlichen Stufen (Institutsleiter der unterschiedlichen Abteilungen des Krankenhauses von Pathologie über Inneres und Gyn, Oberärzte, Fachärzte und Turnusärzte, die ihre Dissertation noch nicht fertig haben) parlieren, tratschen, schwurbeln, kriechen einander in den Arsch und intrigieren hinter dem Rücken. Krankenhausalltag also, der durch einen spezifischen Fall zu einem politischen Drama hochstilisiert wird, als eine junge katholische Frau, die wahrscheinlich bei einer Engelmacherin war, an einer Sepsis so ernsthaft erkrankt ist, dass sie in den nächsten Stunden sterben wird. Durch das Fieber spürt sie aber den nahenden Tod nicht und glaubt zu genesen. Die nicht konfessionelle Krankenschwester holt ob der dramatischen Situation den Priester für die letzte Beichte und die letzte Ölung, der jüdische Institutsleiter Professor Bernhardi verweigert ihm aber den Zutritt, denn er will die euphorische Patientin nicht der Todesangst aussetzen, sondern als pragmatischer Arzt ist im wichtig, dass es der Patientin gut geht, bevor sie stirbt, anstatt die unsterbliche Seele der Sünderin für den lieben Gott zu retten. Da sich der Priester beschwert, wird diese Petitesse zum Politikum hochstilisiert, indem antisemitische Vorurteile auf den Professor niederprasseln, der als Jude die katholischen Notwendigkeiten verachtet und Religionsstörung betreibt. In der vom Professor gegründeten Klinik hat er in seiner Funktion als Direktor mittlerweile die Bestellung von sehr vielen nicht-jüdische Ärzten abgenickt, die politisch das Spektrum von liberal bis deutschnational und massiv antisemitsch abdecken. Professor Bernhardi ist politisch völlig naiv und untalentiert, für ihn zählen nur die Sicht der Fachqualifikation des Arztes und ärztliche Entscheidungskriterien. Neben mehreren Intrigen intern geht die Angelegenheit ins Gesundheitsministerium, wo Bernhardi auch auf Beamte bzw. Politiker als Beamte trifft, die nur ihre Karriere im Fokus haben und wie Wendehälse heute ihre eigentlichen Überzeugungen vertreten, aber morgen diese auf dem Altar der politischen Anbiederung und Koalitionsbildungen opfern. Der Professor glaubt den Beteuerungen dieser Beamten und agiert als Arzt und als Mensch so, als wäre er von Antisemitismus nicht betroffen, quasi als wäre er kein Jude, oder als gäbe es keinen Antisemitismus. Er verkörpert daher genau jene Figur und den Prototyp, den alle politischen Liberalen und die bürgerlichen Parteien in der Mitte lauthals fordern, die sagen, dass die Juden einen nicht-existenten Antisemitismus aus Paranoia herbeireden und sich ständig als Opfer fühlen. (siehe Der Weg ins Freie ) Mit dieser von allen Juden verlangten Stategie scheitert Bernhardi aber episch. Die Petitesse wird vors Parlament gebracht und von einer Appellation in eine Anklage umgewandelt. Bei der Gerichtsverhandlung lügen einige der an der Szene Beiteiligten, dass sich die Balken biegen, Entlastungszeugen werden auch korrumpiert und schweigen. Mittlerweile soll der Herr Professor sogar den Priester angegriffen haben. Schließlich wird Bernhardi als Direktor seines eigenen Institus von einem Antisemiten abgelöst, seine Approbation wird im vorläufig entzogen und er muss für ein paar Monate ins Gefängnis, obwohl wirklich alle wissen, dass er unschuldig ist. Er wird auf dem politischen Parkett geopfert, gerade weil er starrsinnig auf seinem Bürgerrecht beharrt, in die staatlichen Institutionen und in die Menschen vertraut, dass sich seine Unschuld herausstellen wird. Er ist auf dem rassistischen Auge blind und will sich nicht ducken, was natürlich küger wäre. Insofern ist er der tragische halsstarrige Held, der unbeirrt seinen Weg geht und der letztendlich dafür bestraft wird. Aber die Geschichte spielt ja im K&K Zuckerguss-Österreich und auch die Bestrafung und der Antisemitismus sind nicht so dramatisch - typisch österreichisch inkonsequent. Nach ein paar Monaten Gefängnis, der Rückgabe der Approbation und der wahrscheinlichen Wiedereinsetzung als Institutsleiter haben sich alle wieder recht lieb und parlieren amikal miteinander. Alles Gut! Es lebe der Kaiser! Abgesehen vom nicht unspannenden Plot war dieses verbale Gebuckel, Geschmeichel und um den heißen Brei Herumgeschwurbel in den Dialogen sehr schwer zu ertragen und lähmte die ganze Geschichte ziemlich. Ich spreche hier nicht von einer alten Sprache, sondern von diesem vertraulichen,, fraternisierenden, katzbuckelnden, amikalen Spezi-Ton, den die Ärzte und die Politiker miteinander zelebrieren. Wahrscheinlich gibt es den bis heute in den Parteizentralen, aber der nervte mich ungemein und machte die Handlung zäh wie Strudelteig. Befreit man manche Dialoge aber vom inflationär eingesetzten Beiwerk der fortlaufenden Schmeichelei, dann waren einige wirklich großes Kino. So sagt der Politiker: "Wenn man immerfort das Richtige täte, oder vielmehr, wenn man nur einmal in der Früh, so ohne sich's weiter zu überlegen, anfing', das Richtige zu tun und so in einem for den ganzen Tag lang das Richtige, so säße man sicher noch vorm Nachtmahl im Kriminal!" Die angeschlossenen 60 Seiten Nachwort und Erläuterungen waren fast spannender als das Theaterstück selbst und drehen für mich das Werk noch von 2,5 auf gute 3 Sterne. Sie gaben einen großartigen Blick in den Hintergrund und eine detaillierte Analsyse der Situation der Wiener Krankenhäuser und der Medizin zu dieser Zeit. Es wird thematisiert, welche Kliniken hier gemeint sein könnten (die Analyse macht eine Kombination zwischen Poliklinik und einem anderen Krankenhaus aus), aber sie gab auch sensationelle Einblicke in die ärzliche Klinikpraxis dieser Zeit. Die Wissenschaft und die Krankenhäuser fokussierten sich anstatt auf therapeutische und hygienische Ansätze auf diagnostische Methoden, aber mangels großflächigem Einsatz von bildgebenden Verfahren war eine Diagnose ja nur ex-post also nach der Sektion möglich. Die Wahrscheinlichkeit, damals bei einer Krankheit zu überleben, war auf einer Pflegestation wesentlich höher als in einem Krankenhaus, in dem die Herrn Professoren nur darauf warteten, dass die Patienten starben, damit sie die Ursache herausfinden konnten. Zudem hielten die damaligen Ärzte auch wenig von den damals schon bekannten Hygiene-Maßnahmen. Das machte mich auf einige Kleinigkeiten aufmerksam, die ich ansonsten überlesen hätte. Auch im Theaterstück kommen viele von den Doktoren direkt aus dem Seziersaal hoch und keiner hat sich die Hände gewaschen. Ziemlich wahrscheinlich, dass die junge Frau die Sepsis erst durch die Untersuchung von einem Arzt bekommen hat. Zudem wird die politische Situation der K&K Monarchie ausnehmend grandios analysiert. Antisemitismus den es qua Gesetz eigentlich gar nicht geben darf, weil ihn der Kaiser verboten hat, der sich aber strukturell durch alle Institutionen und durch das tägliche Leben zieht. Kommt uns bekannt vor oder, denn Antisemitismus ist genau dasselbe wie der heutige strukturelle Rassismus gegenüber PoCs? Fazit: Theaterstück unterdurchschnittlich aber mit der Erläuterung kommt noch was Gutes dabei heraus, da bekommt der Stoff gleich neue spannende Aspekte. Mir hat das Nachwort wesentlich besser gefallen als das Werk selbst.
Review # 2 was written on 2020-05-30 00:00:00
2010was given a rating of 3 stars Joe Gambale
Gefühlt eher zwei Sterne, da etwas eindimensional, aber handwerklich klar besser gelungen als das Romangegenstück Der Weg ins Freie Wenn man immerfort das Richtige täte, oder vielmehr, wenn man nur einmal in der Früh, ohne sich's weiter zu überlegen anfing, das Richtige zu tun und so in einem fort den ganzen Tag lang das Richtige, so säße man sicher noch vor dem Nachtmahl im Kriminal, dieses Fazit zieht der sozialdemokratische Hofrat am Ende von Arthur Schnitzlers Komödie um den Konflikt zwischen ärztlichem Anspruch und geistlicher Tradition, bzw. offiziellem Wertekanon. Der Herr Professor verweigert einem Geistlichen den Zugang zu einer jungen Patientin, die gleich an den Folgen einer verpfuschten Abtreibung sterben wird. Damit dieses arme Mädel voll Euphorie und im Glauben ein langes Leben glücklich sterben kann, statt von der letzten Ölung vorzeitig auf den Boden der Tatsachen zurück geholt zu werden. Dass der jüdische Arzt dabei den katholischen Geistlichen physisch berührt, macht eine Haupt- und Staatsaktion daraus, zumal etliche Parteien aus der Affäre ihren Nutzen auf Kosten des Professors oder auch der Wahrheit ziehen wollen. So weit der überzeitliche Kern, heute sind es natürlich andere Heilige Kühe als die Kirche, die mittels Social media zur Rettung der Menschheit und zum gerechtfertigten Abreagieren niedriger Instinkte instrumentalisiert werden, wobei die Menschenwürde des (vermeintlichen) Übeltäters ruhig mit allem getreten und geprügelt werden darf, was gerade zur Verfügung steht. Ein Professor Bernhardi von heute würde wegen sexueller Belästigung, Diskriminierung anders Denkender, Rassismus oder Leugnung des Klimawandels an den Pranger gestellt. Im Vergleich dazu bewegt sich Schnitzlers Held die ganze Zeit über in einer Komfortzone. Auch sonst stellt sich bei mir das Mitleid nicht wirklich ein, der Herr Professor laviert sich mit einem an Dummheit grenzenden Unverständnis für seine Situation in einen Schlamassel hinein, der erst mal zum Entzug der schnell wieder in Kraft gesetzten Approbation führt. Das Stück ist halt eine wienerische Maskerad' aus der Endzeit der k.u.k.-Monarchie, bei der die weitere historische Entwicklung für tragische Untertöne sorgt, da die Assimilierten und Duckmäuser später auch auf die Reise nach Auschwitz geschickt wurden. Das Dritte Reich erwies sich als übler Gleichmacher für alte österreichische Eliten mit und ohne Taufschein: Das Kommando Latrinenreiniger war nicht weniger berüchtigt - von der Ekelhaftigkeit der Arbeit ganz abgesehen. Sinnvollerweise wurde es von den Häftlingen wie von der SS »Kolonne 4711« getauft - nach der berühmten Kölner Parfümmarke. Es war den Juden vorbehalten. In Dachau gehörten einem entsprechenden Kommando lange Zeit die Herzöge Max und Ernst Hohenberg an, die Söhne des östereichischen Thronfolgers Franz Ferdinand aus seiner Ehe mit der Gräfin Chotek. Den Steineklopfern auf den Lagerstraßen wurden in Buchenwald u.a. der 60jährige ehemalige österreichische Justizminister Dr. Winterstein und der Österreichische Staatsjugendführer Baron Duval zeitweise zugeteilt. Eugen Kogon: Der SS-Staat, S.114f


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